Wie der Kampf gegen Covid-19 dem Homeoffice und Videokonferenzen aus den Kinderschuhen hilft
Die Coronavirus-Pandemie hatte in den letzten Wochen für viele Unternehmen in Deutschland und auch weltweit ungeahnte Folgen. So setzen insbesondere Dienstleistungsunternehmen, aber auch die Verwaltungsbereiche öffentlicher Einrichtungen ebenso wie Handels- und Produktionsunternehmen, vermehrt auf das Homeoffice. Die derzeitige Situation stellt einige Unternehmen vor neue technische Herausforderungen, da häufig die nötige Infrastruktur erst noch implementiert oder entsprechend erweitert werden muss. Aufgrund von Schulschließungen ergibt sich auch die Notwendigkeit für einen Fernunterricht in Online-Arbeitsräumen.
Cloud-Angebote
In Zeiten, in denen die Politik und das Robert Koch Institut zur möglichst weitgehenden sozialen Distanzierung aufrufen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, leisten Unternehmen ihren Beitrag, indem sie ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken. Um zu helfen, derartige Lösungen umzusetzen, bieten verschiedene Anbieter von Konferenz- und Online-Arbeitstools wie Microsoft und Google ihre Software vorübergehend kostenfrei an. Viele Unternehmen nehmen diese Angebote wahr und implementieren im Eiltempo Cloud-Lösungen wie Microsoft Teams oder nutzen die G Suite von Google. So besteht aktuell die Möglichkeit, über die G Suite kostenlos Meetings mit bis zu 250 Personen und Livestreams mit bis zu 100.000 Zuschauern abzuhalten. Auch der kostenlose Anbieter Discord, dessen Software zumeist zum Spielen von Online-Computerspielen verwendet wird, erweiterte sein Angebot und erhöhte die maximale Teilnehmerzahl seines Go Live Streamings von zehn auf 50 Personen. Damit wendet sich der Anbieter jedoch eher an Schulklassen als an Unternehmen.
Virtual Private Networks
Neben Cloud-Angeboten wie Teams und G Suite benötigen viele Arbeitnehmer im Homeoffice auch den Zugang zu firmeninternen Servern über sogenannte Virtual Private Networks (VPN). VPNs werden durch Dienstleister wie NordVPN, ZenMate und Cisco zur Verfügung gestellt. Diese sind von zentraler Bedeutung für das Funktionieren ausgeweiteter Homeoffice-Nutzung, funktionieren jedoch nur mit einer gut ausgebauten Netzinfrastruktur. Da eine Vielzahl von Mitarbeitern Heimarbeit machte kam es in den letzten beiden Wochen zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der VPN-Zugänge, was bei einigen Unternehmen zu Netzwerküberlastungen führte, die jedoch gezielt überbrückt werden konnten. Um weiterhin ein stabiles Netzwerk für Telearbeit und Fernunterricht zu gewährleisten, kündigte der Streaming-Anbieter Netflix am 19. März an, seine Datenübertragungsleistung für Serien und Filme in Europa 30 Tage lang zu drosseln. Diese Maßnahme wurde von Politik und Wirtschaft begrüßt.
Dank der allmählichen Digitalisierung vieler Unternehmen in den letzten fünf Jahren ist die Infrastruktur, die einen schnellen Wechsel der Arbeitnehmer ins Homeoffice ermöglicht, in den meisten Unternehmen bereits vorhanden. Auch das mittlerweile hohe Datenvolumen bei Übertragungen über das Internet spielt eine entscheidende Rolle bei der plötzlichen großflächigen Umsetzung von Homeoffice-Infrastrukturen. Ohne das bereits weit entwickelte technologische Grundgerüst wäre ein plötzlicher Übergang ins Homeoffice, wie aktuell zu beobachten, für viele Unternehmen kaum möglich. So lag der Anteil der Unternehmen, die Cloud-Computing einsetzen, bereits im Jahr 2017 bei knapp zwei Dritteln der durch den Branchenverband der IT-Branche, Bitkom, in einer Umfrage befragten Unternehmen.
Auswirkungen der Coronakrise
Das Potenzial für Homeoffice ist also bei vielen Unternehmen schon seit einigen Jahren gegeben, die Umsetzung ist jedoch bis vor Kurzem nicht in gleichem Maße erfolgt. So hatten laut einer weiteren Umfrage von Bitkom im Jahr 2019 lediglich 41 % aller Festangestellten eine Erlaubnis, im Homeoffice zu arbeiten. Von diesen wiederum nutzten 62 % diese Möglichkeit aber gar nicht und arbeiteten lieber weiterhin im Büro. In den letzten Wochen kam es wegen der Coronavirus-Pandemie zu einem sprunghaften Anstieg der Heimarbeitsquote, was jedoch nicht nur durch die bereits existierende Infrastruktur, sondern auch dank der intensiven Unterstützung durch Softwareunternehmen bei der Implementierung notwendiger Softwareergänzungen ermöglicht wurde.
Auch IT-Beratungsunternehmen erfreuen sich aufgrund der Herausforderungen, welche die Einführung dieser Lösungen und die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit interner und externer Netze betreffen, einer besseren Auftragslage. Nicht ausschließlich dieser Technologiesprung, sondern hauptsächlich die aufgrund der aktuellen Krise gesammelten Erfahrungen mit flächendeckendem Homeoffice dürften jedoch in den nächsten Jahren zu einer gesteigerten Akzeptanz dieser Option durch die Arbeitgeber und -nehmer führen. Auch in Zukunft ist also mit einer wachsenden Anwendung von Konferenzsoftware und ähnlichen Programmen zu rechnen. Dies könnte aber zu einem sinkenden Bedarf an Geschäftsreisen führen. Daher nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Umsatzeinbußen, welche die Kongressveranstalter, Hotels und Luftfahrtunternehmen aktuell erfahren, längerfristiger Natur sein werden.
Homeschooling
Die deutschen Schulen reagieren eher verhalten auf die Nutzung von Remote Software, auch wenn sie dadurch die Möglichkeit haben, über Programme wie G Suite Education und über die reguläre G Suite kostenlos Meetings und Livestreams durchzuführen. Auch das Programm Discord kann aktuell kostenlos von Schulklassen mit bis zu 50 Personen für den Fernunterricht genutzt werden. Schulen in Deutschland tendieren in der aktuellen Lage aber eher dazu, Online-Portale statt Cloud-Software zu nutzen, um Lernmaterialien zu bearbeiten und zu teilen. Ein Beispiel wäre die Plattform Schoology.
Der hohe Digitalisierungsgrad der Gesellschaft, in der die meisten Schüler mit Smartphones, eigenem Internetzugang und gegebenenfalls weiteren Datenverarbeitungsgeräten ausgestattet sind bietet noch Raum, um die Nutzung von Cloud-Lösungen an Schulen auszubauen. So wird aktuell die Implementierung der Lehr- und Lernumgebung HPI Schul-Cloud, die Ende des Jahres 2019 an einigen Pilotschulen in Deutschland eingeführt wurde und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, forciert. HPI Schul-Cloud ist speziell auf die Bedürfnisse von Schulklassen zugeschnitten und ermöglicht auch die Erarbeitung von Lernmaterialien in Teams. Sind die Akzeptanz und Nutzung derartiger Lösungen einmal gegeben, bieten sie ein hohes Potenzial, das Lernen und Lehren an deutschen Schulen zu verändern.
Fazit
Trotz positiver Aussichten ist die Stimmung bei deutschen IT-Unternehmen in Anbetracht der Ausbreitung des Coronavirus zum Teil getrübt. So berichtete der Branchenverband Bitkom bereits im Februar, dass jedes vierte IT-Unternehmen negative Auswirkungen auf sich zukommen sieht. Denkbar wäre, dass spezialisierte Anbieter von Cloud- und Streaming-Angeboten von der Krise profitieren, während gleichzeitig andere IT-Unternehmen mit Auftragseinbrüchen zu kämpfen haben.
Die Coronavirus-Pandemie dürfte sich als ein maßgebliches Ereignis für die Implementierung von Heimarbeits- und Videokonferenztechnologien herausstellen. Es ist damit zu rechnen, dass die Akzeptanz dieser Technologien bei Arbeitgebern und -nehmern ebenso wie bei Lehrern und Schülern deutlich zunehmen wird. Dies könnte das Arbeits- und Lernverhalten vieler Menschen langfristig verändern und einen disruptiven Einfluss auf Industrien haben, die auf eine hohe Nachfrage nach Konferenzen, Geschäftsreisen und Büroräumen angewiesen sind.
In diesem Bericht erwähnte Branchen:
C26.20DE – Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und peripheren Geräten
J58.29DE – Verlegen von Software
J62.01DE – Programmierungstätigkeiten
J62.02DE – Beratung im Bereich der Informationstechnologie
J63.11DE – Datenverarbeitung, Hosting und damit verbundene Tätigkeiten
H51.10DE – Personenbeförderung in der Luftfahrt
I55.10DE – Hotels, Gasthöfe und Pensionen
N82.30DE – Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter
In diesem Bericht erwähnte Einflussfaktoren:
Alfabank-Adres Einflussfaktoranalyse Digitalisierungsgrad
Alfabank-AdresEinflussfaktoranalyse Datenvolumen im Breitbandinternet